Schluckauf Moderne

Les Schliesser – »SchluckaufModerne«, Installationsansicht, Galerie Mirko Mayer, Köln 2007
Galerie Mirko Mayer, Köln 2007

Spanplatten, Farbe, Gips, Video

Der vierdimensionale Architekt
Teil 1 und 2

Der Titel SchluckaufModerne spielt auf den Effekt der Wiederholung von Stilepochen an, indem er auf Arbeiten verweist, die zeitlich vor der letzten Umdrehung des Vergessens liegen. SchluckaufModerne zeigt so unterschiedliche Medien wie Gemälde, Video, Photographie, Skulptur und eine räumliche Intervention. Sie unterwandern den Konsens der Moderne und befragen das Wiedersehen ihrer Wiederholung. Der architektonische Eingriff in den Ausstellungsraum ist eine ins Absurde überzeichnete Eskalation der existierenden, an Sol LeWitt erinnernden Betonträger, die die Wandscheibe der darüber liegenden Stockwerke tragen. Der Raum wird noch mehr verstellt, so dass die sowieso als störend empfundenen Betonstützen vor der Hauptausstellungswand selbst Objekt und Schauplatz der Videoarbeiten sind.
Les Schliesser – »SchluckaufModerne«, Installationsansicht, Galerie Mirko Mayer, Köln 2007

Wenn die Moderne unsere Antike ist (Marc Lewis) – was machen wir dann mit der Antike? Im Eigentlichen geht es doch um eine Folge von Ereignissen, Bildern und Objekten die als Schleife durch zeitlich wechselnde Referenzräume verlegt werden. Dabei kann der Vorgang zum kollektiven Akt einer gemeinsamen Anstrengung werden. Es ist eine aktive Verlegung der Bezugsebenen zueinander, die durch die Akteure zu neuen Rutschbahnen in Richtung Konsens werden. Der Mechanismus gleicht einer Drehvorrichtung, die im Kern eine H.G.-Wells-Zeitspindel hat, die um die Begriffe Wiederholung und Vergessen rotiert.

Schluckauf Moderne

Les Schliesser

»Wenn die Moderne unsere Antike ist – was machen wir dann mit der Antike? Im Eigentlichen geht es doch um eine Folge von Ereignissen, die als Schleife – oder neuer LOOP – durch zeitlich wechselnde Referenzräume verlegt werden. Dabei kann der Vorgang als kollektiver Akt einer gemeinsamen Anstrengung vorgestellt werden. Es ist eine aktive Verlegung der Bezugsebenen zueinander, die durch die Akteure zu neuen Rutschbahnen in Richtung Konsens werden. Der Mechanismus ist eine Drehvorichtung, die im Kern eine HG Wells Zeitspindel hat, die um die Begriffe Wiederholung und Vergessen rotiert.« (Les Schliesser 2007)

Vergessen und Wiederholung sind Begriffe, die im Zentrum von Les Schliessers Auseinandersetzung mit Realität und Kultur stehen. Seit einigen Jahren kreisen seine Arbeiten und Rauminszenierungen um Lücken und Nullstellen, die das Potenzial haben, Ausgangspunkt neuer Handlungsabläufe zu werden.

Schliesser stellt die Frage, ob »Wiederholung eine Folge des Vergessens oder das Vergessen die Bedingung der Wiederholung ist, ob beide völlig unabhängig voneinander existieren oder ob es zeitliche Regeln entlang einer Zeitachse gibt, in der Sprünge und Haken zu erwarten oder sogar vorhersagbar sind.« (*) Der spielerisch hinterfragende Ton ist symptomatisch für Schliessers Herangehensweise. Mit ihm spürt er nicht nur, wie bei den Gap Stories (2001), psychische Unwägbarkeiten im täglichen Handeln auf, er befragt auch den Kulturbetrieb, dem das Vergessen erlaubt, sich regelmäßig neu zu erfinden.

Mit dem Ausstellungstitel SchluckaufModerne in der Galerie Mirko Mayer spielt der Künstler auf den unkontrollierbaren Effekt der Wiederholung eines Stils an, indem er auf Arbeiten verweist, die zeitlich vor der letzten Umdrehung des Vergessens liegen. SchluckaufModerne zeigt so unterschiedliche Medien wie Gemälde, Video, Fotographie, Skulptur und eine räumliche Intervention. Ihnen allen ist gemeinsam, subtil und präzise auf einen all zu schnellen Konsens in Kulturproduktion und Kulturkonsumption hinzuweisen, und vermögen gleichzeitig, das formale Vokabular der unterschiedlichen Medien zu spitzen Pfeilen zu formen.

In der Videoarbeit Der vierdimensionale Architekt, 2006/07, tritt Schliesser vor die reale Figur des Architekten Klaus Kirsten, der die modernistischen Türme der ehemaligen Rotaprint-Fabrik in Berlin-Wedding gebaut hat, in denen Les Schliesser seit 2000 arbeitet. Klaus Kirsten ist eine vergessene Figur der Architekturgeschichte, die sich für eine Projektion über das Verschwinden und die Wiederholung eignet. Im ersten Teil des Videos trifft Der vierdimensionale Architekt – eine strenge Erscheinung mit Leitbildcharakter – auf sich selbst, er kommt sich auf surreale Art selbst in die Quere. Im zweiten Teil zirkuliert er um Dreieck, Kreis und Quadrat gleich einem somnambulen Kanon der Wiederholung modernen Formenvokabulars.

Die photographischen Collagen Documents of Appearance, 2006, zeigen den Architekten von Rotaprint auf Stationen seiner Zeitreise zwischen Moderne und Postmoderne. Eingeschmuggelt in die photographische Selbstdarstellung der Architekturheroen, blenden diese Collagen die Idee von unbekannten Bedeutungsträgern, hinter den ersten Reihen, ein. Mit Ironie stellt Schliesser »einen Bedeutungskanon in Frage, in dessen Selbstgewissheit eine an sich selbst betrunkene Kulturelite ersäuft.« Spass macht dies auch vor dem Hintergrund, dass Les Schliesser zu den Akteuren gehört, die das 8700 qm große Gelände der ehemaligen Rotaprint Fabrik am 3. September 2007 der Berliner Immobilienspekulation entzogen haben und das Gelände mit einer ExRotaprint gGmbH entwickeln. Das Grundstück wird durch die Synergien von künstlerischer Aktivität, lokalem Gewerbe und sozialen Trägern langfristig gemeinnützig wirken.

Die Skulptur Potpourri CA (Gehry, Kohlhaas, Liebeskind), 2006, ist eine gebastelte Addition typischer Stilelemente der drei genannten Architekten. Potpourri CA schlägt »eine Brüderschaft zwischen Alleinstellungsarchitekten vor und hofft auf einen kollegialen Umgang.«

Das Lichtobjekt 32 qm, 2006, ist eine eingefaltete, standartisierte Beleuchtung eines Büros, die so ihre Eintönigkeit verliert und in ihrer Form den Lieblingsenkel der Moderne zitiert, das Minimal.

Der architektonische Eingriff in den Ausstellungsraum von Schliesser ist eine ins Absurde überzeichnete Eskalation der existierenden, an Sol leWitt erinnernden Betonträger. Der Raum wird noch mehr verstellt, so dass der Aura der hier hängenden Gemälde nicht mehr ungestört begegnet werden kann. Schliesser nennt seine Gemälde SundayPaintings, eine Werkgruppe wabernder Farbverläufe im Sinne einer »milden Feelgood-Moderne«.

* Les Schliesser in einem unveröffentlichen Statement, 2007

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