ExRotaprint Projekt (im Prozess)

Les Schliesser, Daniela Brahm, 2011, Photo Kristin Loschert
Daniela Brahm / Les Schliesser, 2011

(Photo: Kristin Loschert)

Hier wird der Begriff von Eigentum solange abstrahiert, bis er verschwindet.

ExRotaprint verhält sich zu Stadtentwicklung, der Immobilien- und Geldwirtschaft, zu sozialen Abgrenzungstendenzen, den Strategien der Kunst in der Stadtpolitik und ist Beispiel für neue Projekte im Stadtraum. Von Künstlern initiiert, wird aus der Perspektive der Kunst Wirklichkeit gestaltet. Hier entsteht ein Möglichkeitsraum, gemeinnützig und solidarisch, nicht ideologisch aber angewiesen auf Abmachungen und Konsens. ExRotaprint verwirft die Aussicht auf Profit durch Eigentum zugunsten von Stabilität und Teilhabe und balanciert ein heterogenes Gefüge von Interessen aus. Der Profit des Projekts liegt in der Beständigkeit und den Handlungsräumen.

ExRotaprint als soziale Plastik bedeutet eine Dehnung des Kunstbegriffs, der hier nicht als Abbild oder Zitat, sondern als gestaltete Wirklichkeit Form findet und Kunst sein kann, aber nicht muss.

ExRotaprint ist Modell für eine Stadtentwicklung, die Profit mit Eigentum ausschließt und einen heterogenen, offenen Ort für alle gesellschaftlichen Gruppen schafft.

ExRotaprint ist das ehemalige Produktionsgelände der Druckmaschinenfabrik Rotaprint in dem Berliner Stadtteil Wedding. Eine Mitte der 80er Jahre gewährte Bürgschaft des Senats für die angeschlagene Rotaprint AG führte nach der Insolvenz zur Übereignung des Geländes an den Bezirk und später an den Liegenschaftsfonds Berlin, der den Auftrag hatte, das 10.000 qm große Grundstück meistbietend zu verkaufen.

Die bildenden Künstler Daniela Brahm und Les Schliesser erarbeiteten 2004 ein Konzept zur Übernahme des Geländes durch die Mieter vor Ort. Ziel war eine Entwicklung des Standorts für eine heterogene Nutzung aus »Arbeit, Kunst, Sozialem« und günstige Mieten für Alle. Nach langen Verhandlungen und harten Auseinandersetzungen mit Bezirk, Senat und Liegenschaftsfonds konnte die von uns Mietern gegründete ExRotaprint gGmbH 2007 das Gelände übernehmen.

ExRotaprint setzt eine besondere Form von Eigentum und Selbstorganisation in einem prekären Umfeld um. Die rechtliche Konstruktion löst Einzelinteressen im Sinne des Gesamten auf und bindet den Gewinn an das Gelände und seine Ziele. Das Gelände ist langfristig der Immobilienspekulation entzogen. Nicht Vermarktungsinteressen oder Profit stehen hier im Vordergrund sondern die Nutzer und die hier von ihnen geleistete Arbeit. ExRotaprint setzt auf eine soziale Mischung, die neue Impulse und gegenseitige Akzeptanz in einer prekären Nachbarschaft möglich macht – für und mit den Menschen, die hier leben.

Um die Ziele des Projekts langfristig abzusichern, hat ExRotaprint eine rechtliche Klammer aus Erbbaurecht und Gemeinnützigkeit aufgestellt. Die Gebäude sind in Besitz der ExRotaprint gGmbH. Der Boden ist Eigentum zweier Stiftungen, die sich gegen Bodenspekulation richten und den Weiterverkauf ausschließen. Auf der Grundlage eines 99-jährigen Erbbaurechts bewirtschaftet ExRotaprint das Gelände und verantwortet alle Aspekte der Projektentwicklung, der Vermietung, der Finanzierung und der Sanierung. Als gemeinnützige GmbH ist ExRotaprint den selbst gewählten gemeinnützigen Zielen verpflichtet. Gewinne müssen für den Erhalt des Baudenkmals und die Förderung von Kunst und Kultur eingesetzt werden, ein Abfluss von Kapital ist ausgeschlossen.

ExRotaprint vermietet zu je einem Drittel Flächen an »Arbeit, Kunst, Soziales«. Hier arbeiten Gewerbebetriebe, soziale Einrichtungen und Kreative. Es entsteht ein gesamtgesellschaftliches Bild, das sich gegen die Monokulturen aufgesetzter Renditeträume wendet und stattdessen das Miteinander und den Austausch fördert. Der Profit des Projekts liegt in der Beständigkeit und dem Gebrauch – heute und in Zukunft.

(Text von Daniela Brahm und Les Schliesser)

mehr unter: www.exrotaprint.de
Download: Das Modell_ExRotaprint, pdf 3,8 MB

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